Vielen Dank für Ihre Registrierung. Sie haben den Aktivierungslink für Ihr Benutzerkonto per E-Mail erhalten.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung.

Vielen Dank für Ihre Bestellung. Wir wünschen Ihnen viel Spass beim Lesen.

Wenn Köche schreiben

Speisekarten sind manchmal eher Rätsel als appetitanregende Verlockungen. Das Thuner Ehepaar Duboux kämpft seit über zwanzig Jahren dagegen an. Beda Hanimann
Bild: schenkArt

Bild: schenkArt

Kalter Lachsmoos auf Trinkspruch? Gemüse von der Wetter? So richtig Appetit macht das nicht. Dabei hat es der Wirt nur gut gemeint mit den Feriengästen fremder Zunge. Er klickte sich ins Internet, pflückte Wort für Wort aus dem virtuellen Vorratsraum. Und so wurde aus einer Mousse de saumon froide sur toast der kalte Lachsmoos auf Trinkspruch. Und aus dem Saisongemüse (verdura del tiempo) das Gemüse von der Wetter.

Sie gehen als hübsche Ferienreminiszenzen durch, solche missratenen Übersetzungen. Aber auch innerhalb des deutschen Sprachraums trifft man immer wieder auf Speisekarten, die einem den Seufzer entlocken: Hoffentlich versteht er von Kochkunst mehr als von Orthographie!

Das erste Projekt

So ungefähr hat es vor gut zwanzig Jahren angefangen mit der Duboux Editions SA, die heute weltweit als Sprachgewissen der Gastronomie gilt, als Duden der Kulinarik. So hat es angefangen mit Marianne und Jean-Pierre Duboux. Er war in der Lebensmittelindustrie tätig, sie als Lektorin und Korrektorin für Verlage und Werbekunden. Das erste gemeinsame Projekt war das Korrekturlesen von Speisekarten. «Keine grosse Sache, dachten wir», sagt Jean-Pierre Duboux. «Aber schon beim ersten Auftrag zeigte sich: Das ist ein Riesenproblem. Es gab keine Leitplanken, keine Vorgaben.» «Oder keiner interessierte sich dafür», ergänzt seine Frau. So habe man im eigenen Interesse als erstes Grundregeln zusammengetragen.

Weltweit gefragt

1989 erschien der erste «Duboux», ein dreisprachiges Grundwörterbuch für Gastronomie, Hotellerie und Touristik. Es war gedacht für Köche, Wirte, Hoteliers, Servicefachleute und Food & Beverage-Manager. Heute gibt es das Werk auch in Italienisch, Spanisch, Katalanisch, Portugiesisch, Niederländisch und Rätoromanisch, zu den Fachverzeichnissen sind Handbücher für Touristen dazugekommen. Und auch Juristen, Werbeagenturen, die Schweizer Armee und EU-Organisationen arbeiten damit. Die Duboux' wurden für die Olympischen Spiele in Salt Lake City, die Weltausstellung in Hannover und die Fussball-WM in Deutschland beigezogen, auch an der Fussball-WM 2014 in Brasilien vertraut man auf ihr Fachwissen.

Bei aller internationalen Ausstrahlung ist die Duboux Editions SA ein Zweipersonenbetrieb geblieben. In den Dachräumen eines Wohn- und Geschäftshauses unweit des Thuner Bahnhofs wohnen und arbeiten die beiden. Enthusiastisch, begeistert, angefressen. Die Küchensprache ist ihre Obsession geworden. «Das fägt», sagt er. «Und macht süchtig», ergänzt sie.

Denn die Küchensprache, das ist eine Welt für sich. Man komme da nicht vom Hundertsten ins Tausendste, sondern ins Millionste, sagt Marianne Duboux. Auch deshalb, weil Essen eine extrem regionale Komponente hat. «In Norddeutschland sind die kleinen grauen Krevetten Krabben, bei uns aber sind Krabben etwas anderes. Ganz schwierig ist es mit dem Fleisch, weil in jedem Land anders gemetzget wird», führt sie aus. Das ist mit ein Grund, weshalb Wort-für-Wort-Übersetzungen und simple Internetdienste oft nicht funktionieren. Die Duboux' beackern deshalb ganze Wort- und Bedeutungsfelder. «Im Katalanischen gibt es fünf Begriffe für Erdbeeren, mit Bohnenkernen habe ich mich zwei Tage befasst.» Jean-Pierre Duboux lacht, sagt: «Das ist ihre Beharrlichkeit.»

Gespür für Sprache und Essen

Man spürt: Die beiden harmonieren, arbeiten sich ideal in die Hände, spielen sich die Worte zu wie Bälle, lassen sie auf der Zunge zergehen wie eine kalte Lachsmousse. Das ist wohl unabdingbar für ein Projekt wie den «Duboux», der mittlerweile in über 130 Ländern Anwendung findet, weil er eine Lücke gefüllt hat. Die beiden nähern sich den fremden Sprachen über Fernsehsendungen an, schnappen Anschriften auf Lastwagen auf und gehen ihnen nach. «Wenn wir Sprachen studiert hätten, wären wir Gymnasiallehrer geworden oder vielleicht Dozenten. Aber dann hätten wir nie realisiert, dass in Sachen Küchensprache Nachholbedarf besteht», sagt Jean-Pierre Duboux. «Es braucht das Gespür für die Sprache und für das Essen, die Lust, unkonventionell nachzuschlagen», ergänzt sie.

Einblick in die Kulturgeschichte

Die tägliche Arbeit der beiden geht dabei weit über Essen und Sprache («die beiden wichtigsten Kulturgüter der Menschheit») hinaus. Man fange automatisch an, sich mit Kulturgeschichte auseinanderzusetzen. So haben sie Gemeinsamkeiten zwischen dem Katalanischen und dem Rätoromanischen entdeckt, und die sprachlichen Zugriffe auf Essgewohnheiten lassen auch Rückschlüsse auf die Lebensumstände in einem Sprachraum zu. Die Basis aber bleibt das Bestreben, Ordnung in die Küchensprache zu bringen. Weil jede Karte auch ein Vertrag zwischen Wirt und Gast sei, wie Jean-Pierre Duboux sagt. Und weil Lachsmousse einfach besser schmeckt als Lachsmoos.

«Tagblatt»-Newsletter abonnieren

Der kompakte Überblick am Abend mit den wichtigsten Ereignissen und Themen aus der Ostschweiz und der Welt. Zusammengestellt von der Redaktion. Hier können Sie sich mit einem Klick kostenlos anmelden.

  • Speichern Sie Artikel.
  • Erhalten Sie individuelle Empfehlungen.
  • Nutzen Sie die Vorteile auf allen Geräten.

Merkliste

Hier speichern Sie interessante Artikel, um sie später zu lesen.

  • Legen Sie Ihr persönliches Archiv an.
  • Finden Sie gespeicherte Artikel schnell und einfach.
  • Lesen Sie Ihre Artikel auf allen Geräten.